Zur Freiheit der Liebe

Liebe Gemeinde,

ich bin ein eindeutiger Verfechter der freien Liebe.
Wer nun Bilder anarchischer Hippies im Kopf hat, den muss ich leider enttäuschen. Zumindest in großen Teilen.

Wie ich darauf komme? Nun, eines der bekanntesten Lieder aus den 70er Jahren im Gesangbuch ist "HDL". Diese Abkürzung unter Gottesdienstprofis steht für "Herr, deine Liebe". Die Nummer 663 wird auch heute noch oft und gerne gewünscht und gesungen. Manche sehen etwas despektierlich auf diesen "Kirchenschlager", aber ich glaube, dass man dem Lied damit nicht ganz gerecht wird.
Denn es nimmt den Begriff der "Freiheit" in den Blick. Mit vielen verschiedenen Facetten dieses schillernden Begriffs. Allein schon die Zeilen "Frei sind wir, da zu wohnen und zu gehen. Frei sind wir, ja zu sagen oder nein" und "Wir wollen Freiheit, aus der man etwas machen kann" sprechen grundlegende Gedanken zur Freiheit an.

"Freizügigkeit", "Meinungsfreiheit", "Religionsfreiheit" sind Grundwerte unserer Gesellschaft, ohne die unsere Demokratie nicht denkbar ist. Und ich bin dankbar, dass ich im Rahmen dieser Freiheiten aufwachsen durfte und konnte!
Auch die Freiheit, aus der man etwas machen kann, weckt in mir Erinnerungen und Hoffnungen.
Erinnerungen an so viele frei entschiedene und gestaltete Situationen und Lebenswege, die mir zugutekamen und die ich genießen durfte.
Hoffnung darauf, dass diese Freiheiten auch anderen zugutekommen und wir Menschen weiter unterstützen können, diese Freiheiten zu leben.

Und was hat das jetzt bitte mit der "freien Liebe" zu tun?

Für mich fußt die Freiheit der Menschen auf dem christlich-jüdischen Menschenbild: Gott schuf die Menschen in seiner Freiheit und Liebe zu einem Ebenbild seiner Vielfältigkeit. Und daraus können wir etwas machen. Bzw. müssen/sollten/dürfen das auch. Denn zu Gottes Liebe zu uns Menschen kommt eben auch die Freiheit, die er uns lässt. Mit den Risiken, die damit verbunden sind.

Aber Gottes Liebe ist eben kein enges Geschirr, sondern wie "Wind und Weite", wie ein großer Freiraum, in dem wir alle auch Heimat, also Halt und Geborgenheit finden dürfen. Der Alt-Bundespräsident Joachim Gauck hat die "Freiheit" immer mit dem Begriff der Verantwortung verbunden. Die Freiheit ist uns in die Hände gelegt und anvertraut. Sie gilt nicht nur für mich, sondern eben für alle. Das ist manchmal schwer, weil sie eben auch für andersdenkende gilt (Rosa Luxemburg). Sie ist aber nicht beliebig und allein individuell zu verstehen. Vielmehr bindet uns unserer Freiheit an die Freiheit der anderen und damit in ein großes Ganzes ein. Ohne dieses große Ganze, also das menschliche Miteinander mit den Nächsten und den Fernsten, wäre individuelle Freiheit nicht möglich. Klingt etwas paradox, ist aber das, was Freiheit ist.

Klingt auch etwas anstrengend, ist aber schön.
Weil sie für mich auf etwas aufbaut, was uns geschenkt wird. Die Liebe Gottes.
Sie ist als Samenkorn in unser Menschsein gelegt und wir dürfen sie hegen und pflegen, behüten und wachsen lassen. Auf dass sie reiche Frucht bringt, aus und von der wir leben können. Und sie weitergeben, teilen. Ganz frei. Ohne Angst, sie zu verlieren. Fast schon selbstverständlich: je mehr Liebe man gibt, desto mehr hat man davon.

Und diese überschwängliche Liebe zu leben, ist eine Freiheit, die ich mir bei aller Begrenztheit meiner Existenz und Möglichkeiten immer wieder gönne. Freie Liebe eben!

Sie ist aber auch immer wieder herausgefordert und gefährdet. Wenn Menschen aus Angst heraus, Liebe und Freiheit nur für sich selbst beanspruchen. Oder für eine kleine erwählte oder irgendwie biologisch definierte Gruppe.
Wenn die Freiheitsrechte nicht für alle gelten, egal wo auf diesem Planeten, verkehren sie sich ins Gegenteil. In Unterdrückung und Gewalt. Viel zu oft und immer häufiger auch gegen Menschen, die sich für die Freiheit in unserer Gesellschaft einsetzen. Oft durch pseudoreligiöse oder gar rassistische Motive begründet. Hier haben wir die Freiheit auch "Nein" zu sagen. Und damit "Ja" zu Liebe und Menschlichkeit.

So haben wir vielfältige Möglichkeiten Freiheit zu gestalten. Und für die Freiheit in Liebe zu entscheiden. Vielleicht sehen Sie ja dazu in den nächsten Tagen eine Möglichkeit. Wir sollten alle von unseren Wahlfreiheiten Gebrauch machen. Um nicht anderen das Feld zu überlassen.

Und feiern dürfen wir die Freiheit auch. Dazu bietet sich das Johannisfest an. Wo wir in ökumenischer Freiheit und Verbundenheit seit einigen Jahrzehnten liebevoll und lebendig das Leben feiern. Dieses Jahr wieder an der Kreuzkirche. Da dürfen wir Gottes Liebe auch in dem Motto "Du bist ein Volltreffer Gottes" erkennen, genießen und gestalten.
Und selbst, wenn es bei der Torwand nicht klappt, werden wir Menschen treffen, die wie wir die Freiheit lieben.

Ich freue mich auf ein Fest der freien Liebe.

Ihr/Euer Pfarrer Gerd Götz

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