Frohe und freie Ostern

Liebe Gemeinde,

noch ist es nicht Ostern, als diese Zeilen geschrieben werden. Aber dennoch möchte ich gerne mit Ihnen eine kleine Gedankenreise in diese nahe Zukunft machen.
Denn auch die Passions- und Fastenzeit geschieht ja immer im Ausblick auf das Auferstehungsfest. Auch wenn sie im Sinne des Kirchenjahres eine nachdenkliche und eher zurückhaltende Zeit ist.
Aber Nach-Denken ist ja immer eine gute Voraussetzung für das Voraus-Denken. Ein Denken irgendwie im "Dazwischen" von dem, was war und dem, was kommen könnte.
Also: innehalten, anhalten, denken, spüren, hoffen, Zukunft wagen.
So denke ich, können wir uns gut auf Ostern vorbereiten. Auf das neue Leben.

Das neue Leben, was aber auch ganz viel vom Alten beinhaltet. Denn auch mit Ostern ist das, was war, was wir erlebt und vielleicht auch durchlitten haben nicht einfach weg. Es kommt aber auch etwas Neues dazu. Vielleicht eine neue Perspektive. Oder die Erfahrung, dass eigentlich jeder Tag ein neuer ist. Mit seinen Herausforderungen und Chancen. Nicht weltbewegend genug? Oder doch?

Ich glaube, also vertraue darauf, dass es vielen geht wie mir. Mitten in dem ganzen Alltagstrott, der Arbeit (die auch Freude macht) den privaten und weltpolitischen Anfechtungen, passieren auch kleine, ja manchmal winzige Wunder.

Ein Blick, ein Bild, ein Gedanke, eine Begegnung.

Und der Frühling ist dafür ja geradezu prädestiniert. Überall stehen gelbe Narzissen und andere Frühblüher. Die Knospen springen auf, die Tage werden heller, die Luft milder und in der Sonne steckt schon ganz schön viel Kraft.

Das bewegt mich. Und setzt mich in Bewegung. Also doch weltbewegend. Also zumindest meine kleine eigene Welt bewegend. Aber dadurch, am besten mit anderen gemeinsam, noch viel mehr Welt bewegend.

Das ist das Samenkorn, was in mir wächst, vielleicht auch blüht und Früchte trägt und verbunden mit anderen doch auch viel mehr ist als mein kleiner Kosmos allein.

So will ich auch Ostern verstehen. Also das wunderliche Geschehen von Tod und der überraschenden und unglaublichen Auferstehung.

Mit alledem ist mir das Bild mit der Blume im Kreuz begegnet. Spontan hat es mir gefallen. Es ist schön. Bei längerem Nachdenken, warum es mir gefällt, bin ich darauf gekommen, dass das Kreuz in dem Bild besonders ist. Es ist ein Freiraum. Ein Freiraum, der der Blüte Platz gibt. Der Licht durchlässt und Luft.

Damit spricht dieses Kreuz viele Dinge an, die zu Ostern dazugehören. Lebensnahe Realitäten, mit der Kreuzigung und Jesu Tod auch in ihrer ganz realen Härte und Brutalität. Aber mit jener wundersamen Tat Gottes, der Auferstehung, eben auch Freiräume bietend. Befreiend. Befreiend von der Vorstellung, dass mit der grausamen Realität das letzte Wort gesprochen ist. Nein. Eben nicht. Gottes Idee vom Leben ist das Leben selbst. Der Weg zum Leben. Auch entgegen aller anderen Erfahrungen.

Und es wird nicht einfach etwas verschwiegen und alles schöngeredet. Auch das Kreuz auf diesem Bild verweist auf das Kreuz. Aber es ändert mit seiner Darstellung auch die Perspektive.

Ich muss an das Gedicht denken, das Schalom Ben-Chorin 1942 schreibt und das wir auch in unserem Gesangbuch finden. In den letzten Zeilen heißt es dort "Freunde, dass der Mandelzweig, sich in Blüten wiegt, bleibe uns ein Fingerzeig, wie das Leben siegt." (eg 651).

Da finde ich in diesem jüdischen Gedicht zur Schreckenszeit des Holocaust viele Verbindungen zur Hoffnung, die sich in der christlichen Ostererzählung findet. Und die wir heute immer noch und immer wieder brauchen. Auch und gerade mit dem Blick auf die Lügen und die Gewalt in unserer Gegenwart, mit aller Angst, die daraus resultiert und die schamlos für eigene Zwecke ausgenutzt und verstärkt wird.

Wie ermutigend kann da der Blick auf Freiräume sein, wie wichtig ist es bei alledem, das Leben in den Blick zu nehmen und Freiräume dafür zu schaffen. Für die Menschen, aber auch für die ganze Schöpfung.

Und für uns selbst.

So wünsche ich uns allen frohe und freie Ostern, denn Christus hat uns zur Freiheit befreit.

Ihr/Euer Pfarrer Gerd Götz

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